Watch 3 Pro und Co.: So will sich Huawei retten
Die neue Huawei Watch 3 Pro hat gleich fünf Tage Akkulaufzeit. Und ist die erste Smartwatch mit Harmony OS. Wir haben sie ausprobiert – und sagen, was sonst noch kommt.
Eine Smartwatch, ein Tablet, Kopfhörer und zwei Monitore: Das kommt in den nächsten Monaten von Huawei in der Schweiz auf den Markt. Was fehlt? Ein neues Smartphone. Das kommende P50 wurde zwar auf der grossen Frühlings-Keynote kurz vom Richard Yu, dem Chef der Consumer-Abteilung, erwähnt. Einen Starttermin gibts aber noch nicht mal für China. Watch 3 Pro und Co.: Huawei will sich bei uns mit anderen Produkten retten.
Es ist schon eine verrückte Zeit für den chinesischen Hersteller. Im Heimmarkt läuft eigentlich alles wie immer, in Europa muss man sich ganz neu aufstellen. Im ersten Quartal 2021 betrug der Marktanteil noch 2,6 Prozent bei den Smartphones, abgehängt nicht nur von Samsung und Apple, sondern auch überholt von Xiaomi, die in Europa nun fast 20 Prozent Marktanteil haben.
Statt Smartphones gibts darum für die Schweiz momentan ganz andere Produkte. Die neue Smartwatch haben wir bereits ein wenig getestet und sagen auch, was die anderen Produkte können.
Uhr läuft sogar mit dem iPhone
Die neue Huawei Watch 3 ist das erste Gadget mit dem neuen Betriebssystem Harmony OS, das in die Schweiz kommt. Da Huawei auch beim Vorgänger auf eigene Software gesetzt hat, merkt man davon als Benutzer nicht viel.
Wichtig zu wissen: Die Uhr läuft mit jedem Android-Phone und sogar mit einem iPhone. Einfach über die «Huawei Health»-App koppeln. Apps kann man dann auch direkt über die Smartwatch laden, sie hat einen eigenen App-Store.
Die beste Integration gibts mit Huawei-Telefonen, vor allem, wenn diese dann bald auch auf Harmony OS laufen. Das neue Betriebssystem soll ja via Update auf über 100 ältere Phones kommen. Auch hier sollte man keine riesigen Veränderungen erwarten, aber zusätzliche Möglichkeiten zur Vernetzung.
Das ist grundsätzlich das Ziel von Harmony OS: Dass es auf möglichst vielen Gadgets läuft und diese besser miteinander kommunizieren und interagieren.
Stark bei Uhrendesign und Akkulaufzeit
Was das konkret für Vorteile bringt, wissen wir noch nicht. Die Uhr muss darum auch einfach so überzeugen. Im ersten Ausprobieren gefällt schon Mal das Design. Die Pro-Version ist wuchtig und gross. Mit fast 50 Millimetern Durchmesser passt sie natürlich nicht an jedes Handgelenk.
Als Alternative gibts eine günstigere normale Watch 3 mit 46 Millimeter in Schwarz oder Silber, allerdings nicht mit Metallarmband. Die Pro dagegen kombiniert das Edelstahlgehäuse mit einem Titan-Gliederarmband und wirkt so sehr hochwertig.
Übrigens: Huawei setzt auf die Standardbreite von 22 Millimeter, sodass man eine riesige Auswahl von Armbändern aus dem Handel nutzen kann.
Der Vorteil der grossen Bauweise: Der Akku in der Watch 3 Pro ist mit 790 mAh nochmals deutlich grösser als jener in der normalen Watch 3. Und auch dort sind 450 mAh nicht gerade wenig.
Im Test haben wir so pro Tag rund 20 Prozent Kapazität verbraucht, wir konnten die Uhr also fünf Tage am Stück ohne Nachladen nutzen. Und Tage sind da wirklich 24 Stunden im Vollbetrieb, also mit eingeschaltetem GPS, mit Pulsmessung und mit Schlaftracking.
Die Akkulaufzeit ist also wirklich beeindruckend! Schaltet man das GPS ab und nutzt den Sparmodus, der aber immer noch gewisses Tracking erlaubt, dann sind es gar bis zu drei Wochen Laufzeit.
Auch die Zahlen der normalen Watch 3 sind sehr gut: Hier bekommt man drei bis 14 Tage Batterielaufzeit, je nach Einstellung. In zwei Stunden ist die kleinere Version wieder voll geladen, bei der grösseren dauert es drei Stunden.
Eine Bezahl-App fehlt noch zum Watch-Glück
Der 1,43-Amoled-Screen ist schön hell und leuchtend und reagiert präzis auf Eingaben – der Bildschirm ist übrigens bei allen Uhren gleich gross. Dazu gibts einen Knopf und die drehbare Krone mit Feedback. Man «fühlt» also, wenn man von Menüpunkt zu Menüpunkt scrollt.
Die Ausstattung ist auch sonst umfassend: Die Uhr kann den Puls und den Blutsauerstoff messen. Dazu gibts neu die Messung der Hauttemperatur und das Schlaftracking. Sportler finden über 100 integrierte Workout-Modes. Dank einer E-SIM kann die Uhr auch ohne Phone genutzt werden, wenn man ein entsprechendes Abo besitzt.
Eine grosse Auswahl von Zifferblättern kann man einfach einstellen und herunterladen – das funktioniert auf der Uhr genauso wie über die Smartphone-App. Dazu kommt der Huawei-eigene App-Store mit einem ständig wachsenden Angebot.
Was leider für die Schweiz noch fehlt – und für viele Smartwatch-User wichtig ist. Es gibt bislang keine Möglichkeit, mit der Huawei Watch 3 Pro drahtlos zu zahlen. Auch wenn sie das dank NFC grundsätzlich unterstützen würde – und im Heimmarkt auch entsprechende Apps vorhanden sind.
Man bekommt also viel geboten bei Huawei, vor allem bei Akkulaufzeit und Design kann sie die Konkurrenz überflügeln. Mit 599 Franken ist sie aber auch teuer und überflügelt die meisten Android-Uhren. Immerhin: Die grosse Apple Watch mit Edelstahlgehäuse und Metallarmband kostet mit 829 Franken nochmals deutlich mehr.
Und es gibt ja noch die «kleineren» Varianten der Watch 3, die mit 369 und 399 Franken auch deutlich günstiger sind.
Die weiteren neuen Huawei-Gadgets im Überblick
Ebenfalls mit Harmony OS ist das neue MatePad 11 bestückt. Das Tablet kostet nur gerade 449 Franken. Es läuft mit dem Snapdragon 865 Chip und hat einen hochaufgelösten 120-Hertz-Bildschirm in 11 Zoll.
Das Betriebssystem erinnert optisch ziemlich an iPadOS, was ja keine schlechte Sache ist. Bei den Apps ist man auch hier primär auf den Huawei-Store angewiesen. Dazu gibts drei Möglichkeiten, das Tablet mit einem Windows-PC zu verbinden. Man kann den Touchscreen nutzen, um darauf zu zeichnen.
Zusätzlich lässt sich das MatePad 11 als zweiter Bildschirm nutzen. Und man kann per Drag-and-Drop Dateien zwischen PC und Tablet hin- und herschieben.
Spannend auch, dass Huawei erstmals zwei Bildschirme auf den Schweizer Markt bringt. Der MateView für 699 Franken ist ein hochwertiger 28-Zoll-Screen mit vielen Anschlüssen, unter anderem zwei USB-C-Ports, einen HDMI und einen MiniDisplay. So soll man seinen PC oder Laptop mit nur einem USB-C-Kabel anschliessen können.
Auch der MateView GT für 549 Franken hat eine Besonderheit. Es ist nämlich direkt eine Stereo-Soundbar unten am Fuss integriert. Mit seinem stark gebogenen 34-Zoll-Screen ist das Display fürs Gaming gedacht, kann aber auch fürs Home Office eingesetzt werden – wenn man die starke Biegung mag. Hier gibts übrigens mehr zum Thema grosse Monitore fürs Home Office.
Schliesslich erneuert Huawei auch noch seine drahtlosen In-Ear-Kopfhörer. Die FreeBuds 4 kosten 149 Franken und haben Noise Cancelling integriert. Der Preis ist gut, die Akkulaufzeit von vier Stunden aber nur so mittelmässig.
Watch 3 Pro und Co.: So will sich Huawei retten
Spannend zu sehen, wie sich der Schwerpunkt von Huawei weg von den Smartphones zu einer viel breiteren Produktepalette bewegt. Das kann durchaus gelingen, weil der chinesische Hersteller bei der Hardware einen tadellosen Ruf hat.
Technisch überzeugen die Produkte auf jeden Fall. Und Huawei hat ja hier auch einen guten Ruf. Innovativ, qualitativ hochwertig und auf einem Niveau mit anderen Premium-Herstellern.
Das Thema Software wird Huawei aber sicher noch länger begleiten. Einerseits ist Harmony OS eine Chance, aus dem Korsett der «fremden» Betriebssysteme auszubrechen. Andererseits braucht es dann eben ein funktionierendes Ökosystem mit Hardware und Apps. Zudem eine gute Anbindung an andere Systeme.
Ob das auch bei uns in Europa die grosse Masse der Käufer überzeugen kann, wird sich in den nächsten Monaten und Jahren erst zeigen.