Knaller oder Mittelmass? Die ehrliche Bewertung des iPhone 12
Mit vier neuen iPhones versucht Apple die Herzen der Fans zu erobern. Doch neben vielen spannenden Ansätzen gibts auch viel Ärger im Kleinen.
Nur etwas mehr als eine Stunde hat sich Apple gestern Zeit genommen, um vier neue iPhones, das magnetische Zubehör und den Homepod Mini vorzustellen. Und das mittels eines aufwendigen, vorproduzierten Films. Für die Zuschauer ist das ein schneller und unterhaltsamer Ritt durch die Marketing-Welt von Apple. Vieles bleibt aber unklar, wird nur kurz gestreift oder fällt unter den Tisch. Darum gibts hier die ehrliche Bewertung des iPhone 12 und eine knallharte Analyse
Hier finden Sie übrigens alle Details zu Preisen und technischer Ausstattung. Zuerst kommen hier die Stärken, dann die Features mit Potenzial und ganz unten der grosse und kleine Ärger.
Die grossen Stärken des iPhone 12
Design: Endlich gibts wieder eine deutliche Veränderung beim iPhone-Design. Der Aluminium-Rahmen wird betont, die Übergänge zwischen dem Glas vorne und hinten sind kantiger. Nur die vier Ecken des iPhones bleiben ähnlich rund. Toll auch, gibts gleich zum Start fünf Farben fürs iPhone 12 und vier Farben fürs iPhone 12 Pro. Zudem sind die iPhones etwa kleiner, dünner und randloser als die Vorgänger. Toll auch, dass nun alle iPhones den sehr guten Oled-Display haben.
Prozessor: Schon jetzt hat Apple bei der Prozessoren-Entwicklung die Nase vorne. Die eigenen Chips sind so gut, dass sie ja bald auch in den Macbooks zum Einsatz kommen. Und den neuen A14 Bionic gibts in allen vier Modellen, egal ob man weniger als 800 oder mehr als 1200 Franken bezahlt hat. Im Alltag ist das für den Normalnutzer viel zu viel Power. Aber: Der Prozessor garantiert viele Jahre Updates von Apple und man kann das Gerät vier oder fünf Jahre lang sinnvoll mit allen Anwendungen nutzen. Das gehört auch zu einer ehrlichen Bewertung des iPhone 12.
Kameras: Schon jetzt gehört das iPhone zu jenen Smartphones, mit denen normale User am zuverlässigsten gute Fotos machen. Und im Bereich Video ist das iPhone gar an der Spitze. Das wird mit besseren Sensoren nun noch ausgebaut, ohne alles komplizierter zu machen. Und ohne Features wie einen 100fachen-Zoom einzubauen, den man sowieso nicht nutzen kann.
Magnetisches Zubehör: Wie toll es ist, ein Smartphone an Ladepads oder Halterungen für Tisch oder Auto magnetisch andocken zu können, weiss jeder, der bereits einmal das Zubehör des Schweizer Herstellers «Andi be free» ausprobiert hat. Bisher brauchte es dafür ein spezielles Case oder einen aufgeklebten Metallring, nun hat das iPhone dies direkt integriert. Teures, etwas liebloses Magsafe-Zubehör von Apple dafür gibts bereits, Dritthersteller wie «Andi be free» werden da sicher Innovativeres liefern.
Endlich wieder ein kleines iPhone: Viele iPhone-Nutzer warten seit Jahren auf ein gut ausgestattetes, modernes, kleines iPhone. Das gabs bislang in Form des Pro-Modells, für das man aber über 1000 Franken zahlte. Das iPhone 11 mit gutem Preis und vielen Features war hingegen vielen Usern zu gross. Das iPhone SE vom Frühling (Vergleich hier) mit den dicken Rändern und dem HomeButton passt von der Grösse, wirkt aber veraltet. Mit dem iPhone 12 Mini gibts nun ein 5,4-Zoll-Gerät, das kleiner ist als alle anderen Modelle, zudem das günstigste iPhone der neuen Generation und erst noch mit allen Features, die man braucht.
Drei iPhone-Features mit viel Potential
Bei einigen Neuerungen wissen wir schlicht und einfach nicht, ob und wie sie sich tatsächlich im Alltag positiv auswirken. Das Marketing von Apple tönt gut, doch erst die Tests werden zeigen, was es wirklich bringt.
Neues Glas: «Ceramic Shield» nennt Apple das neue, härtere Glas. Es soll vor Stössen und Kratzern besser schützen, was im Alltag Gold wert sein kann.
Akkulaufzeit: Beim Vorgänger waren alle sehr zufrieden, wie lange die Batterie gehalten hat. Trotz besserem Screen und 5G gibt Apple ähnliche Laufzeiten an wie bisher. Auch weil 5G nur läuft, wenn es benötigt wird. Nur beim Mini muss man wegen der kompakten Ausmasse gewisse Abstriche machen. Der Test wird zeigen, wie gross die sind.
Kameras: Gespannt darf man auch sein, wie stark sich die Verbesserungen bei Foto und Video im Alltag auswirken. Lichtstärkere Sensoren müssten es eigentlich vereinfachen, gute Fotos zu machen. Und beim Pro gibts es mehr Zoom und eine bessere Stabilisierung. Alles auch für Nicht-Profis interessant. Eine Frage ist auch, wie stark sich nun die Kameras der Pro-Modelle von den günstigeren Varianten abheben.
Der grosse und der kleine Ärger mit dem iPhone 12
Kein Charger, keine Kopfhörer: Eigentlich ist es ja eine gute Sache. Apple lässt Ladedock und Kopfhörer weg, es gibt so weniger Elektromüll, und auch bei Verpackung und Vertrieb werden Ressourcen gespart, weil die iPhone-Verpackung kleiner wird. Aber: Ein schaler Beigeschmack bleibt. Zubehör von über 50 Franken fällt weg, zudem gibts ein Ladekabel mit USB-C, für das die meisten User erst einen Charger kaufen müssen. Warum nicht den drahtlosen Magsafe-Charger beilegen? Oder einen Gutschein für Zubehör? Oder wenigstens die Kopfhörer und den Charger deutlich günstiger anbieten.
Eigener Magsafe-Standard: Da macht Apple diese schönen Magnet-Anschlüsse und baut dann doch einen eigenen Drahtlos-Standard ein, wie man im Kleingedruckten lesen kann. Zwar können die Magsafe-Charger die neuen iPhone mit 15 Watt laden, legt man aber ein anderes Qi-Gerät fürs drahtlose Laden drauf, wird das nur mit langsamen 7,5 Watt geladen. Dabei gibts auf dem Markt durchaus magnetische Charger, die mit Qi-Standard und 15 Watt laden können. Bei Android ist 15 Watt sowieso schon Standard.
Preise: Die sind zum Glück nur ein kleiner Ärger für Schweizer Kunden. Die Pro-Modelle werden nämlich dank guter Wechselkurs-Berechnung günstiger als beim Vorgänger – und zwar rund 70 Franken. Dafür wird das iPhone 12 im Vergleich zum iPhone 11 teurer: ebenfalls rund 70 Franken. Dafür kostet das Mini nur 779 Franken, das wird eine grosse Menge an Käufern sicher freuen.
Zoom oder doch kein Zoom: Heftig umstritten ist auch, wie nun der von Apple angegebene Zoom-Bereich im Pro wirklich funktioniert. Apple sprach an der Keynote von vierfacher und fünffacher «Zoom-Range». Effektiv dürfte der optische Zoom beim 12 Pro gleich sein wie beim Vorgänger, nur beim Pro Max statt 2x nun 2,5x. Das wäre nur minimal besser. Der Zoom-Bereich meint hingegen die Veränderung von Weitwinkel bis zum Teleobjektiv – so misst das kein anderer Hersteller, total verwirrend für die Kunden.