So gut sind die digitalen Sets von Lego Vidiyo

Bei den neuen Sets der Lego Vidiyo ist die passende App wichtiger als das Zusammenbauen. Das ist nicht nur schlecht. Wir haben die Sets getestet und Lego-Figuren in Social-Media-Musikstars verwandelt.

TextLorenz Keller

Pros

  • Spielerischer Einstieg in Social Media
  • Sichere Umgebung für Kinder
  • App umfassend und gut gemacht
  • Lässt sich fantasievoll in die Lego-Welt integrieren

Cons

  • Wenig Bauspass
  • Recht teuer

Für die Hardcore-Fans ist so etwas ein No-Go. Ein Lego-Set, bei dem das Bauen nicht im Vordergrund steht. Und dann erst noch mit App! Darum gibts aus Fankreisen harte Kritik an der neuen Vidiyo-Reihe des dänischen Spielzeugherstellers. Doch: Die Kritiker sind Erwachsene. Wie gefällt der Mix aus Sound, Video und Lego der eigentlichen Zielgruppe, nämlich Kindern? Wir haben getestet: So gut sind die digitalen Sets von Lego Vidiyo.

In zehn Minuten alles zusammengebaut

Zum Start braucht man eines von sechs Basis-Sets. Sie kosten offiziell jeweils 26.90 Franken. Was auf den ersten Blick ziemlich viel ist. Allerdings findet man die Lego-Vidiyo-Boxen auch bereits für 21 Franken im Handel. Die Sets geben auch gleich etwas die Musikrichtung vor. Wir hatten im Test etwa die «Party Llama BeatBox», die sich an Fans aktueller Dance-Musik richtet.

Wer sich auf ein spannendes Bau-Erlebnis gefreut hat, der wird etwas enttäuscht. Das ist in wenigen Minuten erledigt. Die Figur zusammenstecken und die Transportbox im Kopfhörer-Design bauen. Schon ist man fertig. Das ist so einfach, dass Lego-untypisch bei der Schritt-für-Schritt-Anleitung jeweils nicht mal angegeben ist, welche Bauteile gerade benötigt werden.

Die wichtigsten Teile sind die BeatBits. Kleine Plättchen mit einem bunten Aufdruck, über 90 Stück gibts davon. In einem Starterkit sind 16 davon dabei. Jeder dieser Bits steht für einen Videoeffekt, den man dann später nutzen kann.

Die App ist so bunt wie die Verpackung

Ohne App macht Lego Vidiyo keinen Sinn. Die kann man sich gratis für Android und iPhone runterladen. Vidiyo ist eine Art Tiktok für Kinder-Musikvideos – aber in einem geschützten Raum.

Dazu nutzt Lego Augmented Reality. Man scannt also zuerst seine Figur und die BeatBits, die man nutzen möchte ein. Die werden dann in der App in einer Sammlung abgelegt.

Nun kann das kreative Spiel in der App losgehen: Man stellt sich mit seinen Figuren eine Band zusammen, sucht sich einen Namen aus, gestaltet ein Cover. Und dreht dann das erste Musikvideo. Auch hier kommt wieder AR-Technik zum Einsatz.

Man wählt eine Fläche im Zimmer aus, etwa einen Tisch. Die App scannt den Bereich und projiziert dann die virtuellen Lego-Männchen in die echte Umgebung. Das ist in verschiedenen Grössen möglich: So kann man die virtuellen Figuren in Lego-Grösse tanzen lassen. Oder aber auch passend für Plüschtiere oder gar echte Menschen. Dementsprechend braucht man dann natürlich auch grössere Projektionsflächen.

Danach kann man ein Song auswählen und loslegen. Cool, dass man hier auch bekannte Titel der grossen Stars findet. Nun wird der Spieler zum Video-Regisseur. Die virtuellen Lego-Figuren tanzen in der echten Umgebung, man kann sie von überall her filmen, und mit den BeatBits gibts spezielle Effekte und Moves.

Videospass mit Kindersicherung

Lassen wir unsere siebenjährige Testerin an die Bausteine. Die App ist, trotz nur mässiger Smartphone-Erfahrung, schnell verstanden. Die Band zusammenstellen und das Cover gestalten macht schon mal viel Spass. Da wird jede Farbe durchprobiert. Und zum Glück kann man beliebig viele virtuelle Gruppen kombinieren.

Schade einzig, sind nur Begriffe auf Englisch wählbar, was für jüngere Kinder noch schwierig ist. Lego selber empfiehlt Vidiyo ab sieben Jahren. So bis neun Jahre braucht es wohl etwas Einstiegshilfe und Erklärung. Und halt auch die Bereitschaft, das Smartphone aus den Händen zu geben.

Selber einen Namen eintippen kann man übrigens nicht, das gehört zum Sicherheitskonzept der App. Denn teilt man sein Video über das soziale Netzwerk von Vidiyo, sollen keine Rückschlüsse auf die Absender möglich sein. So wird auch jedes Video vor dem Aufschalten kontrolliert: Dass etwa keine Kinder zu sehen sind und auch keine Namen oder Adressen. Auch die Kommentare zu den Videos werden moderiert.

Nach den ersten Versuchen ist klar: Gleichzeitig filmen und die Spezialeffekte einsetzen, das ist nicht ganz einfach. Vor allem nicht für eine Siebenjährige. Und da man am Anfang noch keine Ahnung hat, welche BeatBits welche Effekte haben, ist Rumpröbeln angesagt. Da wäre etwas mehr Übersicht und Klarheit hilfreich.

Lego-Bühne für «The Thankful Lemons»

Unsere Band nennt sich «The Thankful Lemons». Die Testerin merkt dann aber schnell, dass ein Video auf einem Tisch ziemlich langweilig ist. Also muss eine Bühne her. Schnell werden schon erstellte Lego-Gebäude umgenutzt, eine zusätzliche Platte eingesetzt. Mehr Figuren arrangiert. Und schon sieht das Ganze viele besser aus.

Los gehts mit den ersten Versuchen. Und die Freude ist gross, dass es sofort erste Belohnungen gibt. Etwa virtuelles Geld, mit dem man dann im Shop Outfits für die Band kaufen kann. Positiv aus Elternsicht: Die Kinder bekommen mit Aktivitäten grosszügig Bonus. Mit echtem Geld kann und muss man sonst nichts kaufen. Auch BeatBits werden regelmässig aktualisiert.

Danach kann man das Video in der App anschauen oder mit der Vidiyo-Community in der ganzen Welt teilen. Und im eigenen sozialen Netzwerk ist doch einiges los. Es läuft etwas in der App. Trotzdem: Die Testerin kann sich auch wieder von der virtuellen Welt lösen und spielt dann plötzlich Konzert und Show nur mit den Figuren ganz ohne Smartphone.

App und Smartphone – muss das sein?

Technisch ist die Vidiyo-App sehr gut gemacht. Die Verschmelzung von virtueller Realität und echter Umgebung funktioniert wunderbar. Die virtuellen Figuren etwa wirken auf einer echten Lego-Bühne sehr authentisch.

Allerdings wäre ein Modus für Einsteiger gut. Dass also die virtuellen Männchen selbständig mehr machen würden und man sich ganz aufs Filmen und Schauen konzentrieren könnten.

Das kreative Potential können wohl eher grössere Kinder ausschöpfen, so ab neun oder zehn Jahre alt. In der Zeit, in der dann eben Tiktfok auf dem Schulhausplatz auch schon eine Rolle spielt.

Kritiker monieren, dass sich Lego besser auf die kreativen Bausteine konzentrieren würde. Das kann man so sehen. Allerdings sollte man es dem Spielzeughersteller aus Dänemark nicht verübeln, dass er mehrgleisig fährt. Neben den klassischen Spielesets gibts ja anspruchsvolles Bauen gerade auch für Erwachsene.

Und Lego behauptet sich erfolgreich in einem anspruchsvollen Markt, der von billigem Plastik-Gerümpel überschwemmt wird. Zudem müssen sich die Dänen eben nicht nur gegen anderes Spielzeug behaupten, sondern auch gegen Games, Apps und Social Media.

Vidiyo kann so durchaus als Einstieg in die Lego-Welt gesehen werden. Oder als virtuelle Ergänzung zu schon vorhandenen Bausteinen.

So gut sind die digitalen Sets von Lego Vidiyo

Wenn sich Kinder für Tiktok und Co. oder für Musikvideos zu interessieren beginnen, ist Vidiyo eine gute Alternative in kindersicherer Umgebung. Damit man eben mal den Umgang alleine trainieren und die Kreativität ausleben kann.

Und ja, kreativ sein kann man nicht nur beim Basteln oder Legobauen. Sondern auch beim Erstellen von Videos mit Effekten und virtuellen Figuren.

Wer sich allerdings Vidiyo primär wegen den Figuren und den Steinen kauft und die App nur als Nebenprodukt sieht, der gibt viel Geld aus. Man zahlt primär für das sichere Umfeld, die in sich geschlossene Vidiyo-App, die durchaus allen Standards entspricht, die man als Eltern von Qualitäts-Spielzeug erwartet.

Und dann relativiert sich der Preis wieder. 20 bis 25 Franken für eine Basis-Box, dazu vielleicht noch zwei «Bandmates» für je knapp 6 Franken. Das sind Sammelfiguren mit jeweils drei BeatBits. So hat man für 35 bis 40 Franken ein komplettes Spielsystem, das für einige Zeit unterhält. Insgesamt kein schlechter Deal, wenn man die Möglichkeiten der App auch wirklich nutzt. 

Vor kurzem war Lego bei uns schon ein Thema. Der Hersteller wehrt sich mit Händen und Füssen gegen Nachahmer – und erzürnt dabei durchaus auch die eigenen Fans. Alles dazu kann man hier nachlesen.