Kommt am Montag die revolutionäre Apple-Brille?

Am Montag um 19 Uhr Schweizer Zeit stellt Apple-Chef Tim Cook an der Entwicklerkonferenz WWDC Neuheiten vor. Traditionell sind das die neuen Software-Versionen für iPhone, iPad, Mac und Co. Kommt dieses Mal eine grosse Überraschung?

TextLorenz Keller

Lange war es verdächtig ruhig um das VR-Headset, an dem Apple wohl schon länger arbeitet. Doch es gibt nun hartnäckige Gerüchte, dass die Neuheit am Montag an der Keynote vorgestellt wird. Um 19 Uhr Schweizer Zeit startet die Apple-Entwicklerkonferenz WWDC. Kommt am Montag die revolutionäre Apple-Brille?

Was für eine Brille baut Apple überhaupt?

In einem sind sich die Leaker und Analysten einig: Die neue Brille unterscheidet sich deutlich von der gescheiterten Google Glass. Es geht also nicht darum, die Realität mit virtuellen Einblendungen zu verschmelzen. Das wäre Augmented Reality, Apple setzt vorerst aber auf Virtual Reality und Mixed Reality.

Die Brille ist also ein geschlossenes System, man hat zwei Screens vor Augen. 14 ins Headset integrierte Kameras ermöglichen es aber der Software, eben doch ein Teil der Realität einzubinden. Oder aber auch die Gesichtszüge und Emotionen automatisch zu erfassen und auf Avatare zu übertragen.

Etwas, das ja Apple bereits jetzt auf dem iPhone macht. Dank des Face-ID-Scanners kann man Animojis zum Leben erwecken. Die bewegten Emojis ahmen die eigenen Gesichtszüge schon recht gut nach, erkennen Lachen, Stirnrunzeln und Mundbewegungen.

Es ist allerdings nicht die Idee, dass man das Headset im Alltag immer trägt, sondern eben zu speziellen Gelegenheiten: Entertainment, Gaming und für private oder geschäftliche Termine im virtuellen Raum. Apple dürfte dafür eine eigene Plattform namens «realityOS» schaffen. Jedenfalls haben die Amerikaner diesen Markenbegriff in verschiedenen Ländern bereits schützen lassen.

Warum sollte man so eine Brille kaufen?

Apple geht damit einen ähnlichen Weg wie Facebook mit dem Metaverse. Hier gibts ja bereits schon für 399 Franken eine VR-Brille zu kaufen, und die Software-Umgebung steht auch schon.

Allerdings will Facebook eine umfassende virtuelle Welt schaffen, in die man über längere Zeit abtauchen kann und auf der alles stattfinden soll. Vom virtuellen Shopping über Konzerte bis hin zu Treffpunkten und Gaming.

Apple scheint hier zumindest vorerst weniger weit gesteckte Ziele zu haben. Es geht eher darum, ein Umfeld für die Entwickler zu schaffen, die dann einzelne Apps für Mixed Reality oder Virtual Reality schaffen. Natürlich im Bereich Spiele, aber eben auch für Kommunikation und Content-Konsum.

Zwei Vorteile könnte Apple haben: Einerseits die Hardware. Man spricht von zwei 8k-Displays vor den Augen und einer kompakten Bauweise. Die Brille könnte aber durchaus 3000 Franken kosten.

Andererseits die Software: Der US-Hersteller hat ja etwa bei der Apple Watch bewiesen, dass er meisterhaft Soft- und Hardware aufeinander abstimmt. Das Headset dürfte also für Apple-User kinderleicht zu bedienen sein. Zudem sind bei Apple-Neuheiten die Entwickler immer doppelt so motiviert, Neues zu entwickeln wie bei anderen Brands.

Und oft war es in den letzten Jahren auch so, dass Apple Trends zum Durchbruch verhelfen konnte. Smarte Uhren gabs schon vor der Apple Watch, aber die Apple Watch hat die gesamte Branche beflügelt und heute ist Apple der grösste Uhrenhersteller.

Wird nun die Brille wirklich am Montag gezeigt?

Da sind sich die Experten und Leaker nicht einig. Was klar ist: Es wird kaum ein fertiges Produkt gezeigt, das dann gleich in die Läden kommt. Die meisten Insider gehen davon aus, dass das Apple-Headset erst 2023 auf den Markt kommt – auch wegen den ganzen Liefer- und Produktionsproblemen momentan.

Doch die Entwicklerkonferenz WWDC wäre natürlich ein gutes Schaufenster, um das Konzept bereits einmal vorzustellen. Es ist also durchaus ein realistisches Szenario, dass ein Prototyp gezeigt wird. Dieser ist laut Gerüchten bereits vor zwei bis drei Wochen dem Verwaltungsrat von Apple vorgeführt worden.

Mit einem Prototyp und eventuell sogar schon einem Kit für die Entwickler könnte die Entwicklung von Apps und Programmen für Virtual und Mixed Reality angestossen werden, sodass zum Launch auch ein attraktives Portfolio an Inhalten bereitsteht. Ähnlich ist Apple auch beim ersten eigenen Chip für die Macs vorgegangen. Dort hat man es auch den Programmierern ermöglicht, sich darauf einzustellen.

Es gibt natürlich auch Gründe, die dagegen sprechen. Einerseits weiss man nicht, wie weit die Entwicklung wirklich ist. Apple stellt ja gewöhnlich keine halbfertigen Produkte vor. Andererseits besteht bei einer verfrühten Vorstellung die Gefahr, dass die Konkurrenz Features kopiert.

Das gibt der gewöhnlich gut informierte Analyst Ming-Chi Kuo zu bedenken. Er sagt, dass die Markteinführung noch weit weg sei und darum Apple vorsichtig sei, schon jetzt zu viele Features zu verraten.

Andere Analysten glauben, dass an der WWDC erst einmal eine neue Entwicklerumgebung für fotorealistische 3D-Szenen, Avatare und VR-Inhalte vorgestellt wird. Eine wichtige Rolle könnten dabei Neural Radiance Fields (NeRF) spielen, die es ermöglichen, komplexe 3D-Landschaften ganz einfach aus zweidimensionalen Bildern zu erstellen.

Was wird denn am Montag vorgestellt?

Nicht vergessen darf man, dass an der WWDC die wichtigen neuen Features für iPhone, iPad, Apple Watch, Mac und weitere Apple Gadgets vorgestellt werden. Das ist für die meisten Leute im ersten Moment viel wichtiger, denn iOS 16 etwa wird auch ältere iPhones bis zurück zum iPhone 7 oder 6s erhalten.

Und die Modelle der letzten Jahre werden auch einige der Neuerungen erhalten, soweit die von der Hardware umsetzbar sind. Das neue Betriebssystem fürs iPhone etwa soll einen Always-On-Screen ermöglichen. Zudem werden die Benachrichtigungen neu gestaltet und übersichtlicher und eventuell die Widgets weiter ausgebaut.

Beim iPad dürfte Multitasking ausgebaut werden, sodass man etwa Fenster in verschiedenen Grössen öffnen kann. Und die Apple Watch könnte eine Überarbeitung der Zifferblätter und eventuell auch einige neue Designs erhalten.