Zukunft von Virtual Reality steht im Verkehrshaus
Was für ein tolles VR-Spektakel im Verkehrshaus Luzern: Red Bull und HP verschmelzen künstliche Welt und reales Klettern. So steigen auch Anfänger aufs Matterhorn – was im Test viel Spass macht.
Virtual Reality steckt in einer entscheidenden Umbruchphase. Die Zeit der Experimente ist vorbei – nun müssen die Firmen den Kunden beweisen, was langfristig wirklich Spass macht und einen Mehrwert bringt. Wohin das gehen könnte, kann man zurzeit in der Schweiz erleben. Die Zukunft von Virtual Reality steht im Verkehrshaus.
Im Innenhof des Verkehrshauses Luzern steht ein hölzerner Berg-Kubus, in dem Red Bull und Technik-Partner HP das Virtual-Reality-Erlebnis «The Edge» anbieten – eine virtuelle Besteigung des Matterhorns. Wir haben das ausprobiert.
Klettern für Anfänger wie die Profis
Als alternder, nicht mehr ganz fitter, aber durchaus noch ein wenig aktiver Hobby-Fussballer ist man fürs Erlebnis im Verkehrshaus genau der ideale Tester. Wenn man den Mix aus echtem Klettern und künstlicher Welt schafft, dann sollte das auch jeder andere können.
Los gehts mit einem kurzen Film, in dem man die zwei Guides kennenlernt, nämlich den Freeskier Jérémie Heitz und den Bergführer Sam Anthamatten. Dann packt man auch schon alles aus den Hosentaschen in eine Box und zieht sein «Gschtältli» an. Auch in der virtuellen Welt wird man real gesichert.
Dann gehts weiter zum Empfang, wo man noch einen Rucksack aufgeschnallt bekommt. Hier ist die ganze Technik drin, sprich ein Rechner. Danach werden Sensorpunkte an den Beinen mit Klettverschluss angebracht und spezielle Handschuhe angezogen – die helfen dem System ebenfalls dabei, dass millimetergenau getrackt werden kann, wo Arme und Beine sind. Wie wichtig das ist, merkt man bald.
Zu guter Letzt zieht man Kopfhörer an und die VR-Brille von HP. Das funktioniert übrigens auch gut mit Brille, wenn man beim An- und Ausziehen super ist.
Die ganze Technik hat man übrigens kurze Zeit später schon ganz vergessen und merkt nichts mehr davon. Auch der Kletterrucksack hinten auf dem Rücken stört nicht. Dann gehts endlich los.
Künstliche Welt fühlt sich total real an
Eben noch stand man in einem schlichten Holzverschlag mit einer Türe, die nur aus einem Rahmen besteht. Und schon steht man in der Solvayhütte, die man noch aus dem Video kennt. Auf über 4000 Metern steht diese Schutzhütte, sozusagen auf halbem Weg zum Gipfel.
Es braucht eine kurze Eingewöhnungszeit in die virtuelle Welt. Man schaut sich um und staunt darüber, dass man vor sich virtuelle Hände sieht – genau dort, wo auch die echten Hände sind. Und auch unten am Boden passen die Beine mit Kletterschuhen genau zu den echten Beinen.
Da rufen die zwei anderen Bergsteiger, es geht los. Ein Schritt in Richtung Türe, Hand ausstrecken und Türe am Knauf aufziehen. Fasziniert merkt man, wie virtuelle Welt und Realität ineinanderfliessen. Vor den Augen sieht man eine hochaufgelöste Grafik wie in einem Computerspiel, doch es passt alles zu den realen Erfahrungen.
Man kann den Türknauf greifen – und greift mit den echten Händen einen echten Türknauf. Dann tritt man hinaus ins Freie. Wow! Vor einem eine atemberaubende Aussicht ins Tal. 14’000 Quadratkilometer Gebirgsketten wurden mit Drohnen abgefilmt und in die virtuelle Welt übertragen. Und das sieht man, es wirkt unglaublich echt.
Klettererlebnis für alle Sinne
Auch der schmale Weg am steilen Felshang, der vor einem liegt, wirkt sehr real. Zum Glück hats hier noch ein Eisengeländer. Auch hier wieder total faszinierend, wie man es präzis greifen kann und man dann eben auch das kühle Metall in den Händen spürt.
Stand man vorher noch auf Holzbrettern, spürt man jetzt den Stein unter den Füssen. Und sogar Unebenheiten sind eben nicht nur virtuell, sondern auch real. Schritt für Schritt gehts vorwärts – man kann sich übrigens ruhig etwas Zeit lassen und auch die grandiose Umgebung geniessen.
Und dann muss eben auch geklettert werden, schliesslich will man ja den Gipfel erreichen. Das Kletterstück ist nicht so lang und gut bewältigbar. Zu viel sei hier aber nicht verraten, es macht mehr Spass, wenn man noch nicht alle Details kennt.
Weltweit einmalige VR-Technik hier in der Schweiz
Das alles wirkt total spielerisch, und nach kurzer Zeit hat man schon vergessen, dass man sich eigentlich ja nur in einem Holz-Kubus im Verkehrshaus befindet. Stattdessen fühlt es sich an wie in einer Bergwand, auch dank Special Effects wie Windmaschinen.
Und eben auch, weil die echten Erfahrungen und die virtuellen Erlebnisse genau übereinstimmen. Das ist speziell wichtig beim Klettern, schliesslich muss man ja sehen, wohin man die Füsse stellt und wonach die Hände greifen können.
Was ganz natürlich und einfach wirkt, ist technisch sehr anspruchsvoll. Über 60 Punkte am Körper werden millimetergenau gemessen, 35 Kameras kommen zum Einsatz. Und das Ganze wird direkt im Rucksack auf einem HP-Computer in Echtzeit gerechnet.
Faktisch wird eine Art «Game» abgespielt, in dem man selber die Hauptfigur ist und das sich laufend dynamisch anpasst. Verstärkt wird die Immersion durch Gegenstände, die sich in beiden Welten finden und durch kleine Details wie die wechselnde Bodenbeschaffenheit.
Und das ganz Spezielle daran ist halt, dass man sich in «The Edge» in allen Dimensionen bewegt. Also nicht nur rundherum in einem Raum, sondern eben auch in die Höhe. Das war auch technisch sehr anspruchsvoll umzusetzen – und ist bisher weltweit ziemlich einmalig.
Ganz gratis ist der Spass nicht. 24 Franken kostet das reguläre Ticket – «The Edge» ist auch ohne Verkehrshaus-Besuch zugänglich. Wer sowieso einen Tagespass fürs Verkehrshaus hat, zahlt
19 Franken.
Übrigens: Das Verkehrshaus hat auch drinnen noch einen coolen VR-Bereich, wo man sich unter anderem die 360-Grad-Aufnahmen der Besteigung des Matterhorns durch Freeskier Jérémie Heitz und Bergführer Sam Anthamatten anschauen kann. Und wo einem ganz viel aus dem VR-Erlebnis wieder begegnet.
Wo liegt die Zukunft von Virtual Reality?
Das Adventure von Red Bull und HP zeigt auch exemplarisch, wohin sich Virtual Reality unter anderem weiterentwickelt hat. Nämlich in den Bereich der Erlebnis-Industrie. So gibts in der Schweiz bereits ein Dutzend Erlebnis-Center und Escape Rooms, welche die VR-Brillen in Szene setzen. Hier auf dieser Seite findet man eine gute Übersicht.
Viele dieser Center setzen eher auf Spielwelten aus dem Gaming-Bereich, die manchmal noch mit 4D-Effekten oder physischen Gegenständen ergänzt werden. Das ist naheliegend, weil sich VR auch im privaten Bereich primär fürs Gaming durchgesetzt hat. Hier wird entwickelt, hier gibts eine Nische, die durchaus erfolgreich ist.
Man kann eine virtuelle Welt in einem Raum mit 100 oder 200 Quadratmetern aufbauen, in der man sich dann auch wirklich bewegen kann. Wenn man ein entsprechendes portables System mit Rucksack benutzt.
Daneben hat sich Virtual Reality auch im professionellen Bereich etabliert. Etwa für sehr spezifische Trainings, etwa für Einsatzkräfte. Oder auch im Medizinalbereich, wo Operationen vorbereitet und «durchgespielt» werden können. Beliebt ist VR auch in der Architektur, etwa bei Grossprojekten, wo man schon vor Baubeginn das ganze Gebäude oder auch nur seine Wunschwohnung besichtigen und auf Knopfdruck in verschiedenen Varianten virtuell auch gleich begehen kann.
VR-Brille für Zuhause ist gar nicht so teuer
Übrigens kann man sich praktisch dieselbe Brille, die man im Verkehrshaus trägt, auch selber für zu Hause kaufen. Mit knapp 600 Franken kostet das HP Reverb G2 Virtual Reality Headset nicht mal so viel. Es wird zusammen mit zwei Motion Controllern geliefert.
Allerdings braucht es für den Betrieb dann noch einen ziemlich leistungsfähigen PC oder Laptop mit einer guten Grafikkarte von Nvidia oder AMD. Und dann natürlich noch die passenden Games oder Anwendungen mit Virtual-Reality-Inhalten.
HP und alle anderen VR-Hersteller haben nach wie vor das Problem, dass richtig gute Qualität nur möglich ist, wenn ein Hochleistungsrechner per Kabel angeschlossen ist. Die gesamte Technik inklusive Akkus in eine Brille zu integrieren, ist noch nicht möglich – oder nur, wenn man bei der Qualität starke Abstriche macht.
Die zweite Möglichkeit wäre ja, Inhalte auf dem Rechner aufzubereiten und nur das Bild auf die Brille zu streamen. Aber auch das ist in sehr guter Auflösung und ohne grosse Verzögerung momentan noch nicht möglich.
In diesen Bereichen gibt es sicher noch viel Raum für Entwicklungen in den nächsten Jahren. Und wohl auch die Chance, wieder stärker in den Massenmarkt vorzudringen.