Baut Sony die besseren Kopfhörer als Apple?

Die recht teuren Sony WF-1000XM4 In-Ear-Kopfhörer überzeugen im Test mit tollem Sound und Noise Cancelling. Aber sind sie besser als die Airpods?

TextLorenz Keller

Pros

  • Sound mit viel Druck
  • Bequem zu tragen
  • Enorm viele Einstellmöglichkeiten
  • Automatisch leiser, wenn man spricht
  • Effektive Geräuschunterdrückung

Cons

  • Hoher Preis
  • Unübersichtliche App

Wie kann man einen Kopfhörer nur WF-1000XM4 nennen. Was für ein sperriger, kaum zu merkender Name. Und wenn dann die ebenfalls populären Over-Ear-Kopfhörer noch WH-1000XM4 heissen, dann ist die Verwirrung perfekt. Apple hat es da mit den Airpods viel besser gemacht. Der Begriff ist schon fast zum Synonym geworden für Ohrstöpsel-Kopfhörer. Doch: Baut Sony trotzdem die besseren Kopfhörer als Apple?

Hoher Preis, lange Akkulaufzeit

Die Airpods sind auch sonst der Massstab, an dem sich alle Konkurrenten zu messen haben. Apple ist zwar nicht der Erfinder der In-Ear-Kopfhörer mit Bluetooth, doch die anfänglich so belächelten Airpods im «Wattestäbchen»-Design haben diese Kopfhörer-Art der breiten Masse schmackhaft gemacht.

Heute hat jeder Hersteller solche Ohrstöpsel im Programm. Trotzdem ist Apple nach wie vor führend. Weil die Airpods bei der Akkulaufzeit und Sound immer noch vorne mit dabei sind. Und sie auch preislich nicht wirklich teurer sind als die Konkurrenz.

Die neuen Sony haben beim Preis ebenfalls keinen Vorteil. Sie kosten 279 Franken, genau gleich viel wie die Airpods Pro von Apple. Für Einsteiger hat Apple ja mit den normalen Airpods für 179 Franken noch ein deutlich günstigeres Angebot. Zudem: Die Pro gibts im Handel bereits für 200 Franken, die normalen für 135 Franken. Bei Sony dürften mit der Zeit die Preise aber auch fallen.

Anders sieht es bei der Akkulaufzeit aus: Die WF-1000XM4 hängen hier die Airpods ab – und auch sonst die gesamte Konkurrenz. Bis zu acht Stunden Akkulaufzeit bieten die getesteten Kopfhörer. Bei den Airpods sind es maximal fünf Stunden.

Und diesen Unterschied merkt man im Alltag. Während Vielnutzer bei Airpods und Co. einmal pro Tag nachladen müssen, kommt man mit den Sony immer wieder durch den Tag. Und sonst kann man sie für fünf Minuten ins Case legen und hat dann noch eine Stunde Zusatz-Power – genau gleich wie bei den Airpods Pro übrigens.

Das Prunkstück von Sony ist der Sound

Die WF-1000XM4 haben sich aber aus einem anderen Grund direkt zum Lieblings-In-Ear-Headphone des Testers gemausert. Und zwar wegen der Soundqualität. Die ist wirklich der Hammer. Klare Höhen, satte Bässe und ein Klangvolumen, als hätte man einen echten HiFi-Kopfhörer auf den Ohren. Hier baut Sony die besseren Kopfhörer als Apple.

Ein echter Gewinn ist auch, dass man den Klang den eigenen Bedürfnissen anpassen kann. Es gibt schöne Voreinstellungen für den Equalizer, für die aktuellen Spotify-Charts passt etwa «Begeistert» sehr gut. Oder aber man stellt alles ganz nach den eigenen Bedürfnissen und Hörgewohnheiten ein.

Allerdings muss man auch sagen, dass solche Aussagen bei Kopfhörern sehr individuell sind. Nicht nur eine Geschmacksfrage, sondern teilweise auch physiognomisch bedingt. So passen einigen Usern alle In-Ear-Kopfhörer problemlos, anderen schmerzen die Ohren nach einer Stunde oder so.

Auch der Tester hier hat eher «schwierige» Ohren, viele Modelle sitzen nicht gut. Die WF-1000XM4 passen aber perfekt. und sind bequem, auch weil das Ohrstück nicht aus konventionellem Gummi oder Silikon ist, sondern extrem weich. Es fühlt sich fast wie Kunstleder an.

Sony liefert natürlich auch mehrere Aufsätze, sodass grössere oder kleinere Gehörgänge abgedeckt werden. Ein guter Sitz ist besonders wichtig für die Zusatzfunktionen.

Der Sony wird leise, wenn man mit jemandem spricht

Geräuschunterdrückung bieten inzwischen viele In-Ear-Kopfhörer. Die Wirkung des Noise Cancelling ist allerdings unterschiedlich – auch hier spielt die Ohrform eine sehr grosse Rolle. Im Test blenden die WF-1000XM4 Geräusche, Stimmen und Lärm so gut aus wie kaum ein Konkurrent. Und das ohne störendes Rauschen, wenn man mal keine Musik hört.

Für den Tester kommt erstmals ein In-Ear-Modell in die Nähe der guten Noise-Cancelling-Kopfhörer von Sony, Bose oder auch Apple. Sicher ein Topgerät in jeder Hinsicht.

Weniger überzeugend ist die zugehörige App, die man für all die vielen Funktionen eigentlich zwingend braucht. Sie ist unübersichtlich, das Design ist altbacken. Trotzdem lohnt es sich, sie genau zu studieren.

Denn man kann hier nicht nur den Sound einstellen, sondern vieles mehr. Etwa den 360-Grad-Sound, der allerdings nur mit speziellen Streaming-Apps funktioniert. Oder man ändert, was man über die Touchflächen an den Ohrhörern einstellen kann. Man kann wählen, ob die Musik pausieren soll, wenn man die Kopfhörer aus den Ohren nimmt. Und ob man die Funktion zur Verstärkung der Umgebungs-Geräusche nutzen will.

Toll, was es da alles für Möglichkeiten gibt – wenn man sich die Zeit nimmt, die zu erkunden. Spannend ist auch die neue «Speak-to-Chat»-Einstellung. Wählt man sie aus, wird automatisch die Musik leiser gestellt und der Aussensound verstärkt, sobald man spricht.

Das funktionierte im Test richtig gut. Man muss die Kopfhörer gar nicht mehr aus den Ohren nehmen, wenn man mit jemandem kurz ein paar Worte wechselt – ob man es aus Höflichkeit trotzdem macht, muss jeder selber wissen.

Wichtig ist einfach, dass man zumindest ein Wort selber sagt, um die Konversation zu starten. Ein «Mmhhh» reicht übrigens schon in der Automatik. Auch hier wieder kann man, wenn man will, alles selber einstellen. Wie stark das System auf die eigene Stimme reagieren soll, wie lange der Modus eingeschaltet bleibt, bis er sich selber wieder deaktiviert. Oder ob Stimmen speziell verstärkt werden sollen.

Baut Sony die besseren Kopfhörer als Apple?

Kritik gibts primär für die App. Zudem wirkt das Case nicht ganz so hochwertig wie die Kopfhörer. Das Scharnier hat erstaunlich viel Spiel. Zudem ist die Ladehülle recht gross – aber die Ohrhörer in Knopfform brauchen halt Platz.

Insgesamt hat Sony mit den WF-1000XM4 die momentan wohl besten In-Ear-Kopfhörer auf den Markt gebracht. Allerdings sind sie nicht wirklich günstig. Es gibt günstigere Alternativen, vor allem, wenn man gar keine Geräuschunterdrückung braucht.

Im Vergleich zu den gleich teuren Airpods Pro ist Sony in den meisten Punkten gleich gut, bei Noise Cancelling, Soundqualität und Einstellungsmöglichkeiten besser. Die Airpods können im Vergleich primär damit punkten, dass die Verbindung zu iPhones und Apple-Geräten einfacher, schneller und zuverlässiger ist.

Übrigens: Einen letzten Punkt holt Sony noch. Die sehr kompakte Verpackung ist komplett plastikfrei und überrascht mit einer cleveren Verschachtelung mit mehreren Ebenen. Da macht das Auspacken schon Spass.

Günstigere und gute Modelle von Oppo und JVC für 110 bis 170 Franken findet man übrigens hier in diesem Vergleichs-Artikel.