Digitaler Fitness-Coach der Zukunft im Test

Fitness-Tracker schiessen wie Pilze aus dem Boden. Aber während die meisten darauf ausgerichtet sind, verrichtete sportliche Aktivitäten zu speichern und aufzuzeigen, geht Whoop einen Schritt weiter. Stephan Gubler hat das Gadget für Daskannwas ausprobiert.

Wer dieses Jahr Giro d‘Italia, Tour de France oder die Vuelta am TV geschaut hat, ist fast nicht an Whoop vorbeigekommen. Das unscheinbare Armband gehört aktuell zu den Must-haves unter den Veloprofis. Stefan Bissegger trägt das Wearable ebenso wie der Bahnfahrer Claudio Imhof.

Ist Whoop auch interessant für Hobbysportler? Zusammen mit dem erfolgreichsten Ironman-Triathleten der Schweiz, Ronnie Schildknecht, hat Gadget-Journalist und Hobbysportler Stephan Gubler Whoop auf Herz und Nieren getestet.

Das Gadget wird zum Coach

Whoop ist ein personalisierter digitaler Fitness- und Gesundheitscoach, der rund um die Uhr und in Echtzeit Erkenntnisse über Schlaf, Erholung und Training sowie direkt umsetzbares Feedback zum Erreichen der eigenen Ziele liefert.

Gegründet im Jahr 2012 von Will Ahmed hiess das Unternehmen ursprünglich Bobo Analytics. Ahmed und seine Freunde verwendeten während des Studiums oft den Ausdruck «Whoop»; ein freudiger und lauter Ausdruck, der Zufriedenheit und Bereitschaft aufzeigt. 

Ohne Display, der nur nerven würde

Auf den ersten Blick fällt auf, dass Whoop überhaupt kein Display hat. Warum? Die Träger sollen nicht von Benachrichtigungen und anderen Anzeigen genervt und überfordert werden. Das Armband wird Tag und Nacht getragen und soll dabei so wenig wie möglich stören.

Tatsächlich gewöhnen sich Mann und Frau sehr schnell an das kleine, mit Sensoren vollgestopfte Teil. Das liegt auch an den sehr angenehm zu tragenden Armbändern, die in einer Vielzahl an Farben und Mustern erhältlich sind.

Der Tracker ist in seiner vierten Generation mit fünf LEDs (drei grüne, eine rote und eine infrarote) und vier Fotodioden ausgestattet. Die Sensoren messen durchgängig biometrische Daten wie Puls, Hauttemperatur und Blutsauerstoff. Sämtliche gesammelten Informationen werden via Bluetooth auf das Smartphone übertragen und von der Whoop-App ausgewertet.

So raffiniert wie das Wearable ist auch die App. Statt den Nutzer mit einer wahren Datenflut zu erschlagen, zeigt sie einfach und gut die Belastung, Erholung und den Schlaf an. Wer dann mehr wissen will, kann in jeder dieser Kategorien essenzielle Details herauslesen. 

Profi-Tool auch für Hobbysportler?

«Die Tour de France wird im Bett gewonnen», hat einmal Veloprofi Joop Zoetemelk gesagt. Dieses Zitat würde auch der ehemalige Ironman-Triathlet Ronnie Schildknecht unterschreiben.

«Für mich persönlich am relevantesten sind die Schlafdaten und was diese beeinflusst», sagt der Sportler. Gerade auch die Messung der Daten über einen längeren Zeitraum sei sehr hilfreich. Die App zeichnet nonstop auf, eine Art Trainingstagebuch für den Körper. «Ich erkenne also Tendenzen und kann reagieren. Ohne Whoop wüsste ich nicht, wie mein Ruhepuls vor fünf Tagen war. Da schaue ich einfach mal kurz in die App.»

Der dort integrierte Schlafcoach lässt dann auch keine Zweifel darüber aufkommen, was für sportliche Höchstleistungen erforderlich ist. Schlaf, viel Schlaf!

Drei Schlafziele können ausgewählt werden. Wir haben während der rund dreimonatigen Testphase die mittlere gewählt und schaffen es praktisch nie, das Soll an Zeit im Bett zu erfüllen. Schafft das wirklich jemand, einen Schlafbedarf von rund neun Stunden zu decken?

Spannende Erkenntnisse liefert die detaillierte Analyse der Schlafphasen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Tiefschlaf- und REM (Rapid Eye Movement)-Phasen gelegt. Diese sind hauptsächlich für die Erholung zuständig.

Erholung statt noch mehr Sport

Faulenzer werden mit Whoop nicht fit, aber Fitness-Freaks werden dank dem innovativen Wearable sehr wohl zum Faulenzen gezwungen beziehungsweise bewegt.

Pulsmessen war gestern, der moderne Sportler misst die HFV und RHF. Wie bitte? HFV steht für Herzfrequenzvariabilität und zeigt Veränderung der Intervalle zwischen den einzelnen Herzschlägen auf. Je fitter und erholter das Sportlerherz ist, desto höher ist dieser Unterschied.

Mit RHF ist die Ruheherzfrequenz, also der Ruhepuls gemeint. Diese beiden Indikatoren zeigen dem Sportler täglich, wie sehr er das Training vom Vortag verdaut hat. Hier spielen aber eben auch Faktoren wie Schlaf oder zum Beispiel Alkohol eine Rolle.

Schon zwei Feierabendbierchen haben einen negativen Einfluss, der auf der App schonungslos aufgezeigt wird. Wer sich jeden Tag Zeit nehmen und seine Verhaltensweisen protokollieren will, bekommt dann täglich einen personalisierten Fragenkatalog, der zur Ursachenforschung von mehr oder weniger Erholung beitragen kann. 

Interessant und hilfreich ist auch der in der App integrierte Gesundheitsmonitor. Anhand von gesammelten Daten der Atemfrequenz, Blutsauerstoffgehalt und Hauttemperatur ermittelt die App, ob der Träger bei den diversen Messungen im «grünen» Bereich ist. Ist dies nicht der Fall, wird eine orange oder gar rote Alarmnotiz auf dem Smartphone-Display angezeigt. 

Whoop im Praxistest

Einzigartig an Whoop ist so ziemlich alles. Dies merkt der Käufer bereits zu Beginn, denn man kann den Tracker nicht kaufen, sondern löst ein Abo. Man zahlt einen monatlichen Betrag für die Nutzung der App und bekommt täglich eine Analyse seiner Körperdaten in einer deutschsprachigen App.

Wird ein Whoop Wearable der nächsten Generation auf dem Markt gelauncht, bekommt man es kostenlos nach Hause geliefert. Ganz günstig ist dieses Abo nicht. Wer sich für mindestens ein Jahr verpflichtet, zahlt monatlich um die 30 Franken. Im günstigsten Fall müssen mit einem Zweijahresabo immer noch 20 Franken hingeblättert werden. 

Eingerichtet ist Whoop inklusive App einfach und schnell. Da erst einmal so viele Nutzerdaten wie möglich gesammelt werden müssen, dauert es schon ein paar Tage respektive Wochen, bis zuverlässige und nutzbare Resultate und Coachings erhältlich sind.

Dasselbe gilt auch für das automatische Erfassen der sportlichen Aktivitäten. Unser Whoop erkennt nach einer etwa zweiwöchigen Lernphase selber, ob wir gerade joggen oder schwimmen waren. 

Der Akku hält problemlos mehrere Tage bis fast eine Woche. Da man den Tracker ständig tragen sollte, wird ein kleines Akkupack mitgeliefert, das zum Laden auf das Armband geschoben wird. 

Verbesserungswürdig findet Schildknecht, der neunfache Sieger des Ironman Zürich, die Genauigkeit bei der Messung am Handgelenk. «Wird das Armband nicht fest genug angezogen, können die Resultate  während dem Sport nicht immer sehr akkurat ausfallen.»

Doch auch da hat Whoop mehrere Lösungen parat. Der Sensor lässt sich nicht nur am Handgelenk tragen, sondern dank der sogenannten Any-Wear-Technologie auch in Sport-BHs, Boxershorts, Shirts, Armsleeves und Leggings unterbringen.

Was fehlt? Ein GPS-Modul. Finden wir und auch Ronnie Schildknecht. Denn wer beim Sport die zurückgelegte Strecke aufzeichnen will, muss noch immer eine GPS-Uhr oder das Handy mitnehmen. 

Digitaler Fitness-Coach der Zukunft im Test

Im Moment bietet Whoop das mit Abstand komplexeste und gleichzeitig einfachste Fitness- und Gesundheits-Tool. Was für Spitzenathleten fast ein Muss ist, kann auch für Hobbysportler sehr hilfreich sein.

Vorausgesetzt, man schaut sich all die gesammelten Daten nicht nur an, sondern passt auch sein Training und eben vor allem den Schlaf auch an die Empfehlungen des virtuellen Coaches an.