Die cleveren Marketing-Tricks von Apple
Apple bringt gerade viele neue Produkte wie das iPhone 14 oder die Apple Watch Ultra auf den Markt. Die Neuheiten lassen tief blicken und verraten die oft cleveren, manchmal auch fiesen Marketing-Tricks des US-Konzerns.
Eine gigantische Marketing-Show ist ja jede Keynote von Apple-Chef Tim Cook. Er selber mag zwar kein geborener Showman sein, aber die neuen Produkte werden perfekt und emotional inszeniert. Gerne werden auch nicht unerhebliche Features verschwiegen, wie man hier nachlesen kann. Aber es geht noch weiter: Wir haben uns die cleveren Marketing-Tricks von Apple genau angeschaut.
Neue Zahl für nicht so neues Produkt
Früher gabs beim iPhone die S-Jahre. Nach dem iPhone 6 kam das iPhone 6s. Da wusste man gleich, dass es nur ein sanftes Upgrade des Modells war. Heute gibts jedes Jahr eine neue Zahl – auch wenn die Neuerungen nur S-würdig waren.
Dieses Jahr hat Apple gleich zwei eigentliche S-Produkte vorgestellt. Das iPhone 14 etwa hat denselben Screen, dasselbe Design und denselben Prozessor wie das iPhone 13. Verbessert wurden die Kamera plus einige Software-Features. Die grösste Neuerung ist die Selfiecam.
Noch kleiner ist der Unterschied zwischen der Apple Watch Series 7 aus dem letzten Jahr und der neuen Series 8. Neu gibts einen Sensor, um die Hauttemperatur zu messen. Das ermöglicht das Tracking von Zyklus- und Fruchtbarkeits-Indikatoren. Zusätzlich kann die neue Uhr Autounfälle erkennen und automatisch den Notruf wählen.
Für Uhr und Phone gilt: Ein Kauf lohnt sich eigentlich nur, wenn man ein älteres Gerät hat. Und wer sowieso nur alle paar Jahre eine Neuanschaffung tätigt, für den lohnt sich eventuell das Modell aus dem Vorjahr. Das iPhone 13 wird von Apple selber mit 100 Franken Rabatt noch angeboten, die Apple Watch Series 7 findet man eventuell im Handel vergünstigt.
Das alles erfordert vom Kunden ziemlich viel Wissen. Wer einfach nur nach der Zahl geht, bekommt vielleicht einen falschen Eindruck. Das neuste Modell von Apple ist nicht in jedem Fall wirklich sehr neu. Schwierig ist es halt auch, weil es innerhalb der Modell-Generation durchaus auch Gadgets gibt, die wirklich einen spürbaren Sprung vorwärts machen. Die Watch Ultra etwa oder auch die Pro-Modelle bei den iPhones.
Welches ist wirklich die neuste Generation?
Es gibt aber komischerweise bei Apple auch das umgekehrte Problem. Nämlich dass man gar nicht auf den ersten Blick erkennt, ob das nun die neuste Version ist. So heisst etwa die neu vorgestellte Apple Watch SE genau gleich wie die alte Apple Watch SE.
Dasselbe Problem hat man auch bei diversen MacBook- und iPad-Modellen. Ein MacBook Air ist nicht gleich MacBook Air. Bei den ebenfalls ganz neuen AirPods Pro wird offiziell immerhin noch ein «2. Generation» hinter den Namen gehängt.
Kauft man bei Apple selber ein, dann ist das weniger ein Problem. Anders im Handel, wo man vielleicht nicht alle Modelle auf einen Blick sieht. Oder wo ein bestimmtes Modell gerade Aktion ist.
So dürfte es an Black Friday viele MacBooks, Apple Watch SE oder AirPods zum grossen Aktionspreis geben. Aber das sind dann wohl eher Restbestände aus dem Vorjahr. Im schlechtesten Fall muss man dann anhand der Feature-Liste mit der Apple Webseite vergleichen.
Natürlich kann sich dann jeweils auch das «alte» Modell lohnen. Aber wenn dann ausgerechnet eines der neuen Features nicht möglich ist, auf das man sich gefreut hat, dann ist das auch ärgerlich.
So erhöht man das Preisniveau behutsam
Nach dieser Keynote ist es für viele Beobachter klar: Apple verabschiedet sich wieder aus der Smartphone-Mittelklasse. Während man im Euro-Raum über 100 Euro höhere iPhone-Kosten schimpft, ist die Preiserhöhung bei uns moderat ausgefallen.
Das iPhone 14 kostet 929 Franken, beim iPhone 13 waren es noch 879 Franken. Das sind 50 Franken Differenz, die man durchaus noch mit den Wechselkursschwankungen erklären kann.
Aber: Die letzten zwei Jahre gabs jeweils noch eine günstigere Variante, um das neuste iPhone zu kaufen, nämlich das Mini. Und das hatte dieselben Features wie das grosse Modell. Dieses Jahr sind 929 Franken der Startpreis in die iPhone-Welt, günstiger gibts kein neues Gerät. In den vergangenen zwei Jahren bekam man auch für unter 800 Franken ein neues iPhone.
Zusätzlicher Preistreiber sind die Features: Der Sprung vom iPhone 12 zum iPhone 12 Pro war deutlich kleiner als nun vom iPhone 14 zum iPhone 14 Pro. Die Pro-Modelle sind also attraktiver geworden, die normalen iPhones bieten ein schlechteres Preis-Leistungs-Verhältnis im Vergleich zu den Vorjahren.
Wer das neue Kamerasystem will, ein verändertes Front-Design mit der witzigen «Dynamic Island», der muss ein Pro-iPhone kaufen. Der Wink mit dem Zaunpfahl ist also überdeutlich. Apple sagt: Kauf ein iPhone 14 Pro oder Pro Max!
Einzig die neue Selfiecam wurde in alle vier neuen Smartphones eingebaut. Für die Zukunft wird zusätzlich spekuliert, dass Apple auch wieder zwischen Pro und Pro Max stärker unterscheiden will als nur bei Grösse und Akku. Dass etwa das Pro Max zusätzliche Features wie einen besseren Zoom erhält.
Auffallend auch, dass Apple bereits auf der Webseite etwa beim iPhone 14 aktiv für die teureren Pro-Modelle wirbt. Im Abschnitt zum Bildschirm heisst es etwa: «Du willst ein noch fortschrittlicheres Display?» – und dann wird drei Zeilen lang Werbung fürs Pro gemacht.
Das scheint durchaus zu wirken. So sagen Analysten, dass bis 85 Prozent der im Vorverkauf bestellen Modelle der Pro-Serie angehören. Deutlich mehr als in anderen Jahren zuvor.
Welches «neu» ist wirklich neu?
Schon in der Keynote hat Apple beim iPhone 14 den A15-Prozessor so präsentiert, als sei der brandneu und noch nie da gewesen. Tatsächlich hat er einen Grafik-Kern mehr bekommen – mehr aber auch nicht. Faktisch ist das der Chip aus dem Vorjahr.
Auf der Webseite wird es dann noch eleganter verpackt: Das iPhone 14 habe den gleichen superschnellen Chip wie das iPhone 13 Pro. Man bekommt also Pro-Features im normalen Gerät. Allerdings aus dem Vorjahr – und auch schon damals gabs zwischen 13 und 13 Pro kaum Leistungsunterschiede. Das Upgrade von iPhone 13 zu iPhone 14 ist also minimal.
Auch beim Display lobt Apple den OLED-Screen und die hohe Auflösung. Super Retina XDR Display tönt ja schon supergut. Aber besser als im Vorjahr ist der Screen nicht. Und etwa eine höhere Bildwiederholrate bietet Apple auch nicht – in der Android-Welt ist das schon in der Mittelklasse heute Standard.
Die Ungeduldigen zahlen den Preis
Spekuliert wird auch, warum ausgerechnet das iPhone 14 Plus erst später auf den Markt kommt, obwohl es sich ja nicht um ein grundlegend anderes Gerät handelt.
So stehen die drei anderen neuen iPhones ab dem 16. September in den Läden. Das Plus erst ab dem 7. Oktober. Die Fans müssen also drei Wochen länger darauf warten. Und je nach Bestellvolumen ja noch länger. So sind etwa momentan bei den Pro-Modellen Wartefristen von einem Monat oder mehr üblich. Jedenfalls wenn man bei Apple selber bestellt und nicht im Handel schaut, was vorhanden ist.
Es gibt durchaus Experten, die denken, dass Apple das bewusst gemacht hat. Die ungeduldigen Fans kaufen so eher ein Pro-Modell, statt auf das günstigere iPhone 14 Plus auszuweichen.
Trotzdem ist das Plus mittelfristig wichtig, da weltweit gesehen grosse Bildschirme sehr gefragt sind, sich aber längst nicht alle ein iPhone 14 Pro Max ab 1299 Franken leisten wollen oder können.
Hier gibts nun erstmals eine günstigere Alternative: Das Plus hat dieselbe Screen-Grösse wie das Pro Max (6,7 Zoll) und einen richtig grossen Akku. Und kostet immerhin 250 Franken weniger. Aber eben: «Günstig» ist da sehr relativ, das Plus kostet immer noch deutlich über 1000 Franken.
Nicht für die Nische
Sehr clever agiert Apple auch im Uhrenbereich. Hier gibts mit der Watch Ultra das erste Mal seit der Lancierung der Apple-Uhr eine ganz neue Modellreihe. Viel war über die Sport- und Freizeit-Uhr spekuliert worden.
Der US-Hersteller hat nun einen Kompromiss gewählt. Die Uhr sieht weniger nach «outdoor» aus, als man vielleicht glauben könnte. Zwar könnte man sie als Tauchuhr brauchen, Marathons tracken oder zum Bergsteigen nutzen.
Aber viele Features sind auch ausserhalb der Nischengruppe von Extremsportlern und Profis interessant: der grössere und hellere Screen, die lange Akkulaufzeit, das stabile Gehäuse, der programmierbare Zusatzknopf oder auch einfach das neue Design.
So dürfte Apple schlussendlich weniger die absoluten Profis abholen, die wohl für ihre Sportart oder Aktivität ein besseres, spezifischeres und genaueres Messgerät haben. Sondern eher die grosse Masse von Menschen, die einen Sport oder ein Freizeitvergnügen ebenfalls intensiv betreiben.
Zusätzlich auch all jene, die einfach mal eine neuartige Apple Watch wollen oder am Design und der Grösse Freude haben. Auch preislich ist mit 849 Franken die Apple Watch Ultra eigentlich gar nicht so teuer. Hochwertige Sportuhren kosten nämlich schnell 1000 Franken und mehr.
Nachteil in ein Feature verwandeln
«It’s not a bug, it’s a feature» – dieses Bonmot wird Apple von den Fans zugeschrieben. Und tatsächlich sehr typisch. Im negativen Sinn, dass man manchmal das Gefühl hat, dass die Kunden nicht immer ernst genommen werden. Aber auch im positiven Sinn, dass Apple eine Schwäche in eine Stärke verwandelt.
So etwa die «Notch», also die Aussparung im Display für Selfiecam und Face-ID-Sensoren. Die war erstmals im Display des iPhone X im Jahr 2017 zu sehen und wurde zuerst harsch kritisiert. Störend sei sie, unschön und nervig. Bald war sie allerdings ein Designelement und ein klares Erkennungszeichen für ein iPhone. So manch chinesischer Hersteller kopierte gar die «Notch», obwohl sie technisch gar nicht nötig war.
Bei den iPhone-14-Pro-Modellen ist nun die «Notch» verschwunden. Stattdessen gibts eine viel kleinere, pillenförmige Aussparung, die Apple «Dynamic Island» nennt. Übrigens macht dies der US-Hersteller dieses Mal besser als 2017, als es keinen Begriff dafür gab und das eher negativ klingende «Notch» von extern zugeschrieben wurde.
Die Dynamic Island ist aber mehr als nur ein schwarzer Fleck auf dem Screen. Denn Apple bindet diesen «verlorenen» Bereich sehr clever in die Software ein. Denn der Bereich rund um Selfiecam und Sensoren wird für interaktive Benachrichtigungen genutzt.
Diese basieren natürlich auch auf der Basisfarbe Schwarz, so verschwindet die Aussparung im Screen. Momentan nutzen das primär iPhone-eigene Apps wie Timer, Anrufe, Navigation oder Musikwiedergabe. Mittelfristig sollen aber auch Drittanbieter solche interaktiven Dynamic-Island-Nutzungen programmieren können.
Die cleveren Marketing-Tricks von Apple
Das Schöne für Apple-Fans: Sie haben eine grosse Auswahl. Drei Uhrenmodelle in vier Grössen etwa oder vier neue iPhone-Varianten plus drei weitergeführte ältere Modelle. Und auch bei den AirPods gibts drei Kopfhörer zur Auswahl. Dazu kommen noch Varianten, die Apple nicht mehr produziert oder verkauft.
Es lohnt sich also, sich genau zu informieren. Also sollte man selber die Datenblätter sorgfältig studieren. Apple bietet hier selber auch ein gutes Vergleichs-Tool online an, hier etwa für die iPhones. Man kann immerhin drei Varianten direkt miteinander vergleichen, muss sich dann aber doch Zeile für Zeile durcharbeiten und die Unterschiede heraussuchen.
Oder man kann sich natürlich auch hier auf Daskannwas und bei anderen Gadget-Plattformen darüber informieren, was wirklich die Unterschiede im Alltag sind und welche Gadgets für wen empfehlenswert sind.