Tracken die Airtags gut – und auch fremde Leute?
Wie gut lassen sich Gegenstände mit den Airtags wiederfinden – in der Stadt, aber auch auf dem Land? Und was passiert, wenn jemandem ein Airtag untergejubelt wird? Wir haben das neue Apple Gadget ausprobiert und versucht, darauf Antworten zu finden.
Genau 35 Franken kostet ein Airtag, die Viererpackung 119 Franken. Ab Freitag, 30. April, sind die neuen Apple Gadgets, die Tim Cook vor einer Woche vorgestellt hat, in den Stores erhältlich. Die ersten Tests waren vielversprechend. Aber trotzdem bleiben noch Fragen offen: Tracken die Airtags gut – und auch fremde Leute?
Den Test konnten wir übrigens mit Kevin von Techgarage machen, der die Airtags schon kurz vor dem Vorverkauf von Apple erhalten hatte und auch im Video oben zu sehen ist.
Installation so einfach, wie man sich das immer wünscht
Ein Kompliment gibts für Apple beim Installationsprozess. Airtag auspacken. Folie abziehen, welche auch gleich die Sperrung der Knopfbatterie aufhebt. Danach kann man den Airtag nur an sein iPhone halten, und schon ploppt ein Fenster auf.
In wenigen Schritten wird man dann durch die Installation geleitet. Man kann einen Namen für den wasserfesten Airtag wählen – oder auch eine eigene Bezeichnung eintippen. Dazu wählt man ein Emoji, mit dem der Airtag dann auf der Karte angezeigt wird.
Danach startet man am besten die «Wo ist?»-App. Dort unter «Objekte» sind nun alle verbundenen Airtags zu sehen. Auf der Karte wird laufend der Standort aktualisiert. Man sieht für jeden Airtag den Batteriestand. Die soll ein Jahr halten und ist selber ganz einfach austauschbar.
Schlüssel in der Wohnung verlegt? Kein Problem!
Nun spielen wir mal verschiedene Szenarien durch. Zuerst suchen wir einen in der Nähe verlegten Gegenstand, zum Beispiel den Autoschlüssel, der irgendwo in der Wohnung liegt.
In der «Wo ist?»-App habe ich nun zwei Möglichkeiten. Ich kann einen Ton abspielen lassen. Der Airtag piepst dann erstaunlich laut und kann akustisch eigentlich problemlos geortet werden. Im Alltag ist das wohl die gängigste Lösung.
Man könnte auch, etwa wenn man niemanden stören will, die Funktion «Suchen in der Nähe» aktivieren. Hier stellt das Handy eine direkte Verbindung mit dem U1-Chip im Apple-Tracker her. Ist der gesuchte Gegenstand mehr als ein paar Meter entfernt, fordert die App einen dazu auf, die Position zu wechseln.
Man kann nun das iPhone als Suchgerät nutzen, durch die Wohnung spazieren.
In einem Abstand von ein paar Metern wird dann Kontakt aufgebaut. Zuerst noch ungenau, aber man kann sich schrittweise annähern, und so ab zwei Metern Abstand kriegt man sehr genaue Anweisungen, wo der gesuchte Airtag ist.
Das funktioniert nicht so gut wie in der Werbung, ist aber sehr hilfreich, da man systematisch und schnell suchen kann. Leute, die regelmässig Dinge irgendwo zu Hause verlegen, werden diese Funktion lieben.
Portemonnaie verloren? In der Stadt kein Problem
Was passiert nun, wenn man etwa sein Portemonnaie irgendwo verliert? Da der Airtag nur so gross und schwer ist wie ein Fünfliber und nur so dick wie ca. drei solcher Münzen, passt er gut ins Münzfach. Einziger Nachteil: Die glänzende Aluseite zerkratzt ziemlich schnell, aber damit muss man leben.
Die Geldbörse liegt nun also irgendwo. Sobald man den Verlust bemerkt, stellt man den darin platzierten Airtag in den Modus «Verloren». Der User erhält nun eine Push-Nachricht, sobald das System den Tracker findet. Zudem kann man wahlweise einen Namen, eine Nachricht und/oder eine Telefonnummer hinterlassen, die einem allfälligen Finder angezeigt wird.
Der muss nur sein Handy an den Tag halten, und die Nachricht wird über NFC angezeigt, was auch bei Android-Geräten funktionieren sollte. Das hat aber im Test nicht mit allen Modellen geklappt.
Nun beginnt das Hoffen. Liegt das Portemonnaie in einer Stadt, ist die Chance auf eine Benachrichtigung gross. Beim Test in einem mittelgrossen Schweizer Dorf gabs auch nach einer Stunde keinen Kontakt. Obwohl die Strassen nicht ausgestorben waren und der Tag direkt an einer Strasse lag.
Die Krux: Es muss halt jemand mit iPhone und mindestens iOS 13 vorbeilaufen, der Bluetooth aktiviert hat. Das sind also wohl die meisten iPhone 6s und neuer sowie auch das beliebte erste iPhone SE. Aber: Das iPhone muss halt wirklich in der Nähe des Trackers durchkommen.
Wir schätzen nach den Tests, dass der Abstand nicht viel grösser als drei Meter sein darf. Und ein mit 50 km/h fahrendes Auto mit einem iPhone darin ist dann wohl zu wenig lange in Kontakt.
Hat man mal einen Kontakt, ist die Suche dann ein Kinderspiel. Auf der Karte kann man sich zum Standort navigieren lassen. Bei der Detailsuche auf den letzten Metern hilft dann wieder der Modus «Suchen in der Nähe».
So sollte man auch einen Gegenstand finden, der nicht direkt sichtbar ist. Wenn etwa das Portemonnaie in einem Busch liegt. Man kann den «Verloren»-Status übrigens auch jederzeit wieder ausschalten.
Im ersten Test funktioniert das Finden eines Airtags in der Stadt oder auch an belebten Orten wie Einkaufszentren ausgezeichnet. Auf dem Land braucht es Geduld. Zudem ist die Chance, etwas wiederzufinden, am grössten, wenn es sich nicht bewegt.
Taugt der Airtag als günstiger Diebstahl-Schutz?
Es ist ganz klar: Apple selber spricht immer nur von verlorenen Gegenständen. Diebstahlschutz ist offiziell kein Thema. Aber: Die ersten Reaktionen der User zeigen schnell, dass diese auch an einem Tracker interessiert wären, der etwa ans Velo montiert werden kann und so hilft, ein gestohlenes und irgendwo wieder abgestelltes Fahrrad wiederzufinden.
Grundsätzlich sind die Tracker nicht dafür gemacht. So gibts etwa keinen Schutz der Hardware. Ein Dieb kann die Batterie aus dem Airtag nehmen, und schon gibts kein Signal mehr. Immerhin ist das Apple Gadget so geschützt, dass niemand Fremdes es neu konfigurieren kann.
Zudem sendet der Airtag nicht dauernd Signale, und man erhält oft mit Zeitverzögerung die Updates. Man kann also keine Wege nachverfolgen, sondern nur Standorte. Ist ein Dieb in Bewegung, wird einem der Airtag nicht viel nützen. Stellt er das Velo irgendwo ab, dann schon.
Allerdings: Der Airtag kann den Dieb auch warnen. Und zwar beginnt der Chip irgendwann zu piepsen, wenn er über längere Zeit kein Kontakt mit «seinem» iPhone hat. Im Test hat der «fremden» Airtag ziemlich genau nach drei Tagen sich akustisch bemerkbar gemacht. Apple hat diesen Zeitrahmen bestätigt. Allerdings könnte der per Update auch verändert werden.
iPhone-Nutzer mit iOS 14.5 sollten noch schneller eine Benachrichtigung erhalten, wenn sie mit einem «fremden» Airtag unterwegs sind. Hier hilft die künstliche Intelligenz, damit jemand aus demselben Haushalt, der mit dem Airtag am Autoschlüssel unterwegs ist, nicht dauernd Warnungen sieht.
Beschränkt eignet sich der Airtag also auch als Schutz von Gegenständen gegen Diebstahl. Allerdings ist es sicher kein vollwertiger Ersatz etwa für deutlich teurere GPS-Tracker, die es beispielsweise für Velos gibt. Zudem sollte man nur Dinge damit taggen, die regelmässig wieder in Kontakt mit dem eigenen Airtag kommen. Hat der Dieb ein aktuelles iPhone, wird er den Tracker relativ schnell entdecken.
Airtag als Paradies für Stalker?
Die kleinen Ungenauigkeiten haben auch Vorteile. Stalkern wird nämlich so die Arbeit erschwert. So ist ja kein genauer Weg nachverfolgbar, und man erhält relativ zufällig Standort-Updates. Will man dagegen herausfinden, wo jemand wohnt, dann dürfte das erfolgversprechend sein.
Allerdings: Entdeckt jemand den Airtag, kann er über NFC auch die Seriennummer herausfinden sowie einen Link abrufen, um das Tracking des Airtags zu deaktivieren. Zudem hat die Polizei die Möglichkeit, bei Apple mit der Seriennummer herauszufinden, auf welche Person der Airtag registriert ist. Und das ist ja dank Apple-ID ziemlich eindeutig.
Insgesamt dürften Airtags bei den unsäglichen Stalking-Fällen wohl keine signifikante Rolle spielen. Da gibt es leider effektivere Methoden. Aber: Solche Tracker sind natürlich grundsätzlich nicht ganz vor Missbrauch geschützt, sonst funktionieren sie auch sonst nicht richtig.
Aber kann ich wenigstens mein Kind tracken?
Auch diese Idee kam mehrfach auf: So einen Tracker in den Schulthek legen, damit man sich weniger Sorgen machen muss und im Notfall sieht, wo das Kind steckt, das vor lauter spannenden Dingen auf dem Schulweg vergessen hat, dass es zu Hause erwartet wird.
Auch hier: Einen «echten» Tracker wie etwa eine Smartwatch mit SIM-Karte ersetzt der Tag nicht. Ein Kind, das sich viel bewegt, wird man auch nicht so richtig «mitverfolgen» können. Wenn der Kinder-Airtag jeden Tag einmal in Kontakt mit dem Heim-iPhone kommt, dann sollte das Piepsen kein Problem sein.
Tracken die Airtags gut – und auch fremde Leute?
Das Fazit nach den ersten Tests: Was die Airtags sollen, machen sie sehr gut. Verlorene Gegenstände tracken, das klappt ausgezeichnet, vor allem in städtischer Umgebung. Auf dem Land mit weniger Bevölkerungsdichte eher mit Einschränkungen.
Auch das Suchen in der Wohnung klappt problemlos, vor allem wenn man den Airtag piepsen lässt. Mit der Ortung muss man etwas durch die Wohnung irren und die grobe Suche selber erledigen. Sobald ein Kontakt da ist, hilft die «Wo ist?»-App dann wirklich.
Preislich sind die Airtags attraktiv, solange man kein Zubehör von Apple kauft. Der US-Hersteller hat darauf verzichtet, den Tag mit einem Loch zu versehen. Es braucht also auf jeden Fall Zubehör. Die Schlaufen und Schlüsselanhänger kosten 35 bis 45 Franken, was den Preis des Tags verdoppelt.
Immerhin: Schon im Apple Store selber sieht man, dass es auch günstiger geht. So gibts von Belkin etwa eine Schlaufe und einen Schlüsselanhänger für je 15 Franken. Und da wird sicher noch mehr Zubehör kommen.
Wer sich von den Airtags einen Diebstahlschutz erhofft hat, der wird nicht zu
100 Prozent glücklich. Ein Airtag ersetzt auch nicht einen Tracker etwa für Kinder. Die gute Nachricht ist, dass man auch nicht so Angst vor dem Airtag als Stalking-Instrument haben muss, um fremde Leute zu tracken.