Bosch macht das E-Bike endlich richtig smart
Obwohl elektrisch, sind viele E-Bikes nicht besonders digital. Das soll sich mit dem neuen System von Bosch ändern, bei dem man auch sein Handy als Screen und Zentrale nutzen kann. Wir haben es ausprobiert.
Es ist ja schon erstaunlich: Ein E-Bike hat Strom, Sensoren und viel Technik eingebaut. Im Vergleich zu elektrischen Scootern oder Autos sind die Velos aber viel weniger digital und vernetzt. Bosch macht das E-Bike endlich richtig smart.
Darum ist das Bosch-System für uns alle wichtig
Doch warum überhaupt Bosch? Der deutsche Hersteller baut ja selber gar keine Bikes. Aber eben das gesamte Antriebssystem mit Akku, Motor und Steuerung. Und die neuste Variante bietet nun eben auch viele smarte Funktionen.
Man muss sich das als Baukastensystem vorstellen. Bosch ist Zulieferer für weit über 100 Fahrrad-Brands. Die suchen sich Motor, Akku und System aus und integrieren das in ihr Produkt. So wie die Gangschaltung etwa von Shimano kommt oder die Bremsen von Magura.
Im Gegensatz etwa zur Autobranche bleiben die Zulieferer nicht im Hintergrund, sondern sind gut sichtbar am Velo. Viele Brands werben auch offensiv damit, dass sie eben Bauteile von namhaften Herstellern verbaut haben.
Und Bosch ist beim E-Bike-Antrieb Marktführer mit gut 50 Prozent Marktanteil in Europa. Die Chancen stehen also sehr gut, dass man beim nächsten E-Bike-Kauf auf ein System des deutschen Herstellers trifft.
Wie funktioniert das smarte E-Bike-System?
Das smarte System ist eine ganz neue Generation von Bauteilen. Dutzende Hersteller werden bereits damit beliefert, allerdings gibts bislang nur einen leistungsstarken Motor mit 85 Newtonmetern und einen grossen Akku zur Auswahl. Das dürfte sich in den nächsten Monaten ändern, bis schliesslich alle Bosch-Kunden das neue System beiziehen.
Ausgeliefert wird ein Bike mit Bosch-System serienmässig mit einem Display mit Namen Kiox 300. Der ist gut bei Sonne ablesbar und bietet die wichtigsten Informationen. Es werden die wichtigsten Werte wie Tempo, Kilometer und Akkureichweite angezeigt.
Auch bei einem Wechsel der vier Antriebsstufen sieht man das auf dem Display. Zusätzlich zeichnet das System auch den Kalorienverbrauch und weitere Tracking-Daten auf.
Bedient wird alles über die LED-Remote, die mehrere Knöpfe hat. So kann man die Unterstützungsstufe einstellen und durch die verschiedenen Screens des Displays blättern. Zusätzlich hat es eben auch LED-Lämpchen, die auf einem Blick zeigen, wie viel Akku noch übrig ist und in welche Leistungsstufe man eingestellt hat. Allerdings muss man sich dazu die vier Farben der merken.
Erst mit der App wird das Bike wirklich smart
Zwar kann man das Velo auch ganz ohne App fahren, aber viele Funktionen werden nur in Kombination mit der Handy-Software nutzbar. Man sollte sich also zumindest nach dem Kauf des Bikes dann mal mit der «eBike Flow» App verbinden, die es gratis für iPhone und Android gibt.
Dazu muss man sich anmelden – was zwar etwas mühsam ist, aber aus Sicherheitsgründen durchaus Sinn macht. Die Verbindung über Bluetooth klappt problemlos, so wie man sich das von Gadgets gewohnt ist.
Und ja, eventuell muss man dann zuerst mal ein Update für sein Fahrrad herunterladen. Das ist Fluch und Segen zugleich: Updates nerven, umgekehrt kann Bosch so auch Funktionen optimieren und sogar ganz neue Features nachliefern.
Zuerst einmal findet man hier die gesammelten Daten, die man direkt in der Bosch-App ablegen kann. Oder eben auch mit bekannten Tracking-Apps wie Komoot oder Strava teilen. Man kann sich sogar genau anzeigen lassen, welche Strecke man gefahren ist, wie viel Meter bergauf man gefahren ist und wie die Trittfrequenz oder die durchschnittliche Leistung war.
Toll auch: Man kann jeden der Fahrmodi individuell konfigurieren, sodass man schliesslich vier Stufen zur Verfügung hat, die genau auf die eigenen Bedürfnisse und auf das Bike zugeschnitten sind.
Spannend auch, dass der Fachhändler die nötige Service-Frequenz eintragen kann und seine Kontaktdaten hinterlegen.
Warum nicht gleich das Phone als Display nutzen?
Der Kiox 300 ist als Screen ja gut und recht, aber man kann auch sein Smartphone dafür nutzen. Dafür gibts ganz neu einen Smartphone-Grip, den man beim Fachhändler beziehen oder auch online für rund 55 Franken kaufen kann.
Die Halterung ist gleich doppelt clever. Bosch hat das ja von Anfang an so konzipiert, und darum lässt sich das Kiox-Display ganz einfach ausklinken, und man kann den Smartphone-Grip am selben Ort aufstecken.
Der hält nicht nur das Handy im Querformat stabil und sicher, es wird das Phone auch gleich drahtlos aufgeladen. Sehr cool, denn einen grossen Akku hat man ja sowieso mit dabei.
Mit einem Klick zeigt die «eBike Flow»-App nun in ähnlichem Design ebenfalls alle Fahrdaten an. Bosch hat das wirklich gut gelöst: Man kann nämlich mit den Tasten der am Velo verbauten LED-Remote auch die Anzeige auf dem Smartphone steuern.
Und entdeckt so weitere smarte Details: etwa, dass beim Wechsel der Antriebsstufe auch gleich aktuell berechnet wird, wie viel Reichweite man mit dem Akku noch hat. Dies basierend auf den aktuellen Verbrauchswerten, die man bisher so gesammelt hat.
Ein praktisches Navi fürs Velo
Und natürlich kann man das Handy so auch gleich zur Fahrrad-Navigation nutzen. Bosch hat direkt in die App ein eigenes Kartensystem eingebaut, das für Bike optimiert ist. Man sucht sich dort ganz normal das Ziel, kann dann aber auswählen, wie man dorthin gelangen will.
Entweder einfach die schnellste und direkteste Veloroute oder dann eine etwas längere, dafür schönere Fahrstrecke. Und zu guter Letzt kann man sich auch gleich noch Offroad-Strecken einbauen lassen.
Auch hier wieder lässt sich das alles im «Ride-Screen» anzeigen, sprich im Querformat und schön gross dargestellt, dass man es auch während der Fahrt gut ablesen kann. Daneben sieht man auch weiterhin die wichtigsten Infos des E-Bikes oder die Akkulaufzeit.
Wichtig zu wissen: Im «Ride-Screen» ist der Touchscreen im Prinzip gesperrt. Man kann nur zwischen den Ansichten wechseln – was man aber ja noch einfacher mit den Knöpfen machen kann. Zudem lässt sich das Tracking stoppen und die Ansicht verlassen.
Wer ein neues Ziel suchen will, muss zurück in die App. Das soll verhindern, dass man während der Fahrt auf dem Bildschirm rumtippt. Eine durchaus sinnvolle Sicherheitsmassnahme. Dass man allerdings dann die App nur Hochkant bedienen kann, nervt dann manchmal schon.
Wer ein neues Ziel eingeben will, muss entweder den Lenker total verdrehen, absteigen oder das Handy aus der Halterunge nehmen. Vielleicht reicht Bosch ja irgendwann per Update noch einen Quermodus der App nach, den man über Touchscreen bedienen kann, sobald das Velo nicht mehr fährt.
Das Handy wird zum Schlüssel
Eine Funktion hat der Hersteller bereits per Update vor kurzem aufgespielt, und die heisst «eBike Lock». Bei unserer Test-Fahrt müssen wir tatsächlich zuerst das Update machen, danach ist die Funktion verfügbar. Dank Handy-Verbindung ist das ja keine Sache mehr.
Wer diese nun aktiviert, hat einen zusätzlichen Diebstahlschutz für sein Velo. Ein gutes Schloss wird man weiter benötigen, aber das Bike ist nicht mehr attraktiv für Langfinger. Denn ohne Verbindung mit dem Smartphone wird der E-Motor nicht mehr aktiviert. Die wichtigste Funktion ist gesperrt, das Fahrrad lässt sich so natürlich auch nicht mehr weiterverkaufen.
Das Smartphone dient nun also als Schlüssel. Sobald eine Bluetooth-Verbindung zum Velo aufgebaut ist, wird es entsperrt. Schaltet man das Bike aus, ist die Sperre wieder aktiviert. Beides wird akustisch mit Tönen angezeigt, die ein wenig an das typische Piepsen der Zentralverriegelung amerikanischer Autos erinnert, das man aus vielen Filmen kennt.
Das Handy muss dabei nicht auf dem Fahrrad eingespannt sein, man kann es auch in der Tasche lassen. Sollte es verloren oder kaputt gehen, kann man einfach die App auf einem anderen Gerät neu installieren und sich dort wieder anmelden.
Einschränkend ist bisher, dass das Bike nur mit einem Account verbunden werden kann. Fahren also mehrere Personen das Bike, sollte man die Funktion jeweils ausschalten, sonst stehen sie plötzlich ohne Zusatz-Antrieb da. Das «eBike Lock» funktioniert auch mit dem Standard-Display problemlos, auch hier muss man halt das Handy einfach mit dabei haben.
Bosch macht das E-Bike endlich richtig smart
Es ist schon erstaunlich, dass es so lange gedauert hat, bis die traditionellen Bike-Hersteller auf den digitalen Zug aufspringen. Was bei E-Scootern und Elektroautos schon selbstverständlich ist, kommt nun auch zu den Velos. Natürlich gibts auch andere smarte Systeme auf dem Markt, aber das meist von Start-ups, die aus dem digitalen Bereich her kommen – und die vielleicht dann bei der Velotechnik nicht immer das liefern, was Fans erwarten.
Bosch aber hat mit dem Baukastensystem, das laufend ausgebaut wird, einen cleveren Mix gefunden. Traditionelle Kunden können weiterhin auch ohne Smartphone fahren – alle anderen finden nun viele durchdachte Software-Funktionen.
Der deutsche Hersteller ist dabei durchaus pragmatisch und verzichtet auf allzu viele Spielereien und überladene Features. Per Update können aber natürlich noch zusätzliche Funktionen aufgespielt werden. Eine vereinfachte Navigationsanzeige mit grossen Pfeilen ist wohl im Gespräch.
Man merkt Bosch auch an, dass da durchaus längerfristig geplant wird. Schliesslich sollte so ein teures E-Bike mindestens doppelt so lange halten wie ein Smartphone.